Wie erzählt man, dass man in dieser Geschichte die Anna, die vermeintlich Böse, wäre, dass man diejenige ist, die andere ohne Rücksicht auf Verluste verletzt hat?
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Vielleicht weist man als erstes darauf hin, dass Gut und Böse von Menschengeist definierte Moralvorstellungen sind, die sich nicht nur im Zeitenwandel ändern, sondern bereits von Mensch zu Mensch.
Vielleicht erwähnt man zu Beginn, dass Schuld und Unschuld selten klar definierte Seiten sind, wie Schwarz und Weiß, sondern ineinander übergehen, wie Tag und Nacht, und aus einem kalten Morgengrauen und einem warmen Abendrot bestehen können.
Vielleicht eröffnet man den Gedankenreigen aber auch damit, dass eine Freundschaft eine Beziehung ist, zu der zwei Menschen ihr Sein und ihr Gefühl beitragen und die von Beiden subjektiv hinsichtlich ihrer Wahrheit interpretiert wird. Der wahre Kern liegt irgendwo zwischen diesen beiden Menschen und ist selten bis nie sichtbar, und wenn dann nicht zur Gänze.
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Ich habe zwei Frauen bewusst aus meinem Leben gestrichen, beide unabhängig voneinander, beide jedoch zu einem relativ ähnlichen Zeitpunkt.
Es war (aus dem Nachhinein betrachtet) überraschend einfach, mich nicht mehr zu melden, Anrufe und SMS nicht zu beantworten, mich auf „abwesend“ zu schalten. Ich habe nicht die Wohnung, nicht die Stadt, nicht das Land gewechselt. Ich habe weder Arbeits- noch Freizeitgestaltung geändert.
Ich habe mich „nur“ selbst aus ihrem Leben herausgeschnitten. Habe Verlinkungen und Markierungen in den social media-Portalen entfernt, digitale Fotos gelöscht, nach und nach, wenn ich gerade daran gedacht habe oder es eben passte, nicht in Form einer To-do-Liste, sondern „ach, da war noch was“, und am Ende folgte der Klick auf „Freundschaft beenden“.
Vorbei.
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Wenn Sie mich nun fragen, warum und wieso und was genau der Grund…?
Ich könnte Ihnen zu jeder dieser beiden Frauenfreundschaften genau eine spezielle Situation schildern, in der es bei mir „Klick“ gemacht hat und ein Schalter umgelegt wurde. Je eine Situation, die für Sie als Leser*in sehr banal klingen würde, so sehr banal, dass Sie nur den Kopf schütteln würden.
Das Gefühl, das diese Situationen in mir auslösten, war ein „Ich werde nicht gesehen“ – es war ein eklatantes Ungleichgewicht, in das ich mehr und mehr Energie hinein gab und nichts zurück bekam. Es waren Beziehungen, die nur dadurch Bestand hatten, dass eine Hälfte sich oder einen Teil von sich zur Verfügung gestellt hat, so dass die andere Hälfte davon profitieren konnte. Wie eine Batterie, die ein Licht antreibt. Nur dass es sich um eine einseitige Verbindung handelte, in der die Batterie kein Solarpanel hatte, um sich durch das Licht wieder aufladen zu können.
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Letzten Endes war es Selbstschutz. Ich zog eine Reißleine, weil ich das Gefühl hatte mich selbst retten zu müssen.
Das ist meine Wahrheit der Geschichte. Ich weiß, dass die anderen beiden Beteiligten eine andere Geschichte erzählen, weil sie eine andere Wahrheit erlebt haben.
Mit beiden Frauen hatte ich jeweils noch zufällig Kontakt, wie man sich halt auf Weihnachtsmarkt oder Seefest so über den Weg läuft, und beide Male hatte ich das Gefühl, eine in der Konsequenz richtige Entscheidung getroffen zu haben.
(Die Ausführung, nunja, lässt sich mutiger, eleganter und rückgratvoller gestalten. Gebe ich zu.)
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Nie rechtfertigen.
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Frau Donnerhallens Gedanken zu Annas Geschichte.
Kikis Überlegungen zu Annas Geschichte.
Jawls Gedanken zu Annas Geschichte.
Evas Erinnerungen zu Annas Geschichte.